"Ich hab dich lieber als Erdbeereis."
HoMies-Interview mit Simone von @nonuschka.familienbegleitung
Wie sieht ein ganz normaler Tag bei euch aus?
"Unsere Tage sind eingeteilt in Mama-Tage und Papa-Tage. Man erkennt sie an der farblichen Gestaltung unseres Familienkalenders. Die Mama-Tage überwiegen, wir sind seit einem Jahr eine Dreier-Gang. An den Mama-Tagen sieht unser Alltag genauso aus, wie der durchschnittliche Alltag einer durchschnittlichen Familie, nur eben mit einem Elternteil weniger im Haus. Viel zu oft beginne ich Sätze mit „Ich komme gleich, ich muss nur noch schnell…“(die Lücke lässt sich beliebig ersetzen mit Staubsaugen, Wäsche machen, Das hier aufräumen, die Spülmaschine einräumen und so weiter). Meistens komme ich dann, manchmal auch nicht. Morgens wecke ich die Kinder - meistens antworten sie auf meine Versuche mit „GEH WEG!!!“ „Ich will noch schlafen“ oder ähnlichem. Wenn die Kids dann aufgestanden, gewaschen, geschniegelt, gestriegelt und satt sind, geht es für uns alle in die Kita. Für mich zum Arbeiten und für die Kinder zum Spielen. Nach der Arbeit ist vor der Arbeit. Der kleine aber feine Unterschied: die eine ist bezahlt, die andere unbezahlte Care-Arbeit. Am Nachmittag struggle ich mit Haushalt und ausreichend Spielzeit. Wir jagen uns mit Supersoakern durch den Garten, machen Arschbomben in den Pool, spielen Dino, Einhorn, Pirat und Prinzessin, Lesen und treffen Freunde. Sind die Kinder abends vom vielen Toben müde, begleite ich sie im Geschwisterbett in den Schlaf. Zusammengekuschelt singen wir dann selbst ausgedachte „ich hab dich lieber als…“-Lieder. Größte Liebesbekundungen die dabei rumgekommen sind? „Ich hab dich lieber als Gummibärchen“ und „Ich hab dich lieber als Erdbeereis“. Ich hoffe, sie werden die schiefen Töne dieses Liedes für immer in ihren Herzen haben."
In einem Satz, was ist soo typisch für Eure Familie?
"Das beste an uns sind wir drei. Wir sind laut und leise, ernst und lustig, klug und ungeschickt, wir streiten und kuscheln und vertragen uns, wir nerven uns und lieben uns. Wir sind die beste Gang die ich mir vorstellen kann.
Was bedeutet Erinnern für dich?
Jean Paul Sartre sagte mal, Erinnerungen seien das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Für mich sind sie beides: Paradies und Tor zur Hölle. Erinnerungen können mich zurückversetzen in den schlimmsten Liebeskummer, den ein Mensch überleben kann. Zurück in die schlimmsten Schmerzen, die ein Mensch aushalten kann. Sie können Trauer zurückholen, um geliebte Menschen und vergangene Zeiten. Sie können mich abholen, aus meinem Alltag. Zurückbringen in die Vergangenheit. Erste Worte auf einem Zettelchen: „Ich liebe Luftballöner!“ Und schon stehe ich da. Am Geburtstagstisch. Rieche den Rauch der Kerzen auf der Torte. Höre das Knistern der Zellophanfolie beim Aufreißen der Geschenke. Sehe das Funkeln in den Augen und die Freude über den Inhalt. Bilder meiner neu geborenen Tochter bringen das Gefühl zurück, unbesiegbar zu sein. Bilder, meines fiebrigen Sohnes bringen die Angst zurück, Nächtelanges temperaturkontrollieren bis zur völligen Erschöpfung. Der Geruch von "Tosca" bringt mich zurück in eine Umarmung meiner Großmutter. Getrocknete Gänseblümchen bringen mich zurück auf eine Sommerwiese, ich höre die Vögel zwitschern und die Kinder kichern.
Erinnerungen sind nicht nur paradiesisch, nein. Aber an paradiesischen Momenten halte ich mich fest. Ich sammle und konserviere sie. Auf Zetteln, Schnipseln, Bildern in Einmachgläsern. Für jedes Jahr eines."
Gibt es einen Moment mit deiner Familie, den du nie vergessen wirst? Und gibt es davon auch Bilder?
"Wir rufen die Kinder ins Wohnzimmer. Setzen Sie auf das Sofa. Die Worte in meinem Kopf sind perfekt zurechtgelegt, ich hab Bücher gewälzt und mit einer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin gesprochen, ich will auf keinen Fall etwas Falsches sagen.
„Wisst ihr noch, als Oma und Opa noch zusammengelebt haben? Und dann ist Opa ausgezogen weil Oma und Opa sich getrennt haben, Papa und ich, wir trennen uns auch. Wir drei, Sophie, Paul und ich, wir werden umziehen. In das kleine Häuschen, das wir letztens angeschaut haben. Ihr werdet nach den Ferien in einen neuen Kindergarten gehen. Und in eine neue Krippe. Ihre werdet an den Krippentagen bei mir wohnen, und an jedem zweiten Wochenenden beim Papa.“ Paul ist 4 und Sophie 2. Sophie versteht nichts, sie spürt die Anspannung. Beginnt zu weinen, als Paul protestiert: „ich will nicht umziehen, ich will nicht dass ihr euch trennt. Ihr sollt zusammenbleiben. Wir sollen zusammen bleiben.“
„Das geht nicht, mein Schatz.“ „Aber warum?“ „Weil die Liebe weggegangen ist, zwischen mir und dem Papa. Und wir sie nicht mehr finden“ „Dann helfe ich euch suchen“ Meine Stimme bricht. „Weißt du Schatz, die Liebe von Eltern für ihre Kinder, die ist immer da. Die kann nie verloren gehen. Aber die Liebe zwischen Erwachsenen, die kommt manchmal, wenn sie sich verlieben. Und manchmal geht sie wieder. Und kommt nicht mehr zurück. Egal wie fest man sucht, man findet sie nicht mehr“. Jetzt weinen wir drei. Aber ich weine vor Erleichterung.
Ich weiß die Worte noch heute, sehe die Kinder vor mir, weiß, was sie anhatten, wie ihre Haare waren, ihre unschuldigen, kleinen Gesichtchen, sehe unser Wohnzimmer, in unserem Haus, das unser Zuhause sein sollte und es nie wurde. Jedes Wort hat sich in mein Hirn gebrannt. Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Und die einzig Richtige."
Danke Simone, für das schöne Interview! Alex Leben und Familie könnt ihr auf ihrem Instakanal weiter verfolgen.


























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